Interview: Weltreise mit Hängematte im Handgepäck

Interview: Weltreise mit Hängematte im Handgepäck

Wer in der Vergangenheit die Nummer des LA SIESTA Kundenservices angerufen hat, wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit Sjoukje gesprochen haben. Sjoukje war nicht nur eine beliebte und lebenslustige Kollegin, sondern auch ein Paradiesvogel, der sich nie anpassen wollte und getrieben von Neugierde und Fernweh ist. Nun hat sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Florian dazu entschlossen, alles hinter sich zu lassen und eine Weltreise auf unbestimmte Zeit anzutreten. Der Job wurde schweren Herzens gekündigt, die gemeinsame Bleibe verkauft. Bevor es losgeht, haben wir uns noch einmal mit den Beiden getroffen, um die letzten Eindrücke vor dem großen Abenteuer festzuhalten.

 

LA SIESTA: Die Entscheidung, eine Weltreise ohne Rückflugticket anzugehen, passiert sicher nicht von heute auf morgen. Erzählt doch mal, wie ihr bisher in Deutschland gelebt habt und zu welchem Zeitpunkt der Wunsch nach absoluter Freiheit aufkam.

Florian: Ich war schon immer bodenständig. Als gelernter Speditionskaufmann habe ich lange im Büro gearbeitet. Wir kauften uns eine Eigentumswohnung und haben diese dann früher als gedacht abbezahlt. Dann kam die Frage auf, was als Nächstes kommt. Jetzt einfach das Leben absitzen und die Füße stillhalten, um irgendwann eine sichere Rente zu haben? Dann haben wir uns entschlossen, ein Sabbatical (Ein Sonderurlaub auf bestimmte Zeit) zu nehmen, das wir tatsächlich bewilligt bekamen. 2015 ging es los und hat für mich so einiges verändert. Meine Sichtweise und das Sicherheitsdenken, das ich bis dahin hatte. Wir bereisten jeweils ein halbes Jahr Südamerika und Südostasien. 

Sjoukje: Wir starteten in Kolumbien, in das wir uns direkt verliebt hatten.

Florian: Dort haben wir so viele tolle Menschen kennengelernt. Es kam dann direkt der Gedanke auf, dass, wenn in Deutschland nicht mehr alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, es durchaus auch andere Möglichkeiten gibt. Sprich: Komplett aussteigen.

 

LA SIESTA: Vom ersten Gedanken bis hin zur wirklichen Umsetzung ist es ja trotzdem ein großer Schritt. Kam der Punkt, an dem ihr euch entschlossen habt, es wirklich durchziehen, zeitgleich?

Sjoukje: Wir haben uns da ein bisschen ergänzt. Ich habe immer schon gesagt, dass es nie einen besonderen Anlass geben wird. Irgendwann werde ich merken, dass der Zeitpunkt richtig ist und ich gehen kann.

Florian: Seltsamerweise war das bei uns wirklich der gleiche Tag. Sie kam mittags nach Hause und meinte: "Schatz, es ist soweit. Das war's. Wir gehen."

Sjoukje: Und Flo meinte dann zu mir, dass er sich auch an diesem Morgen Gedanken gemacht und diese sogar aufgeschrieben hatte - ansich nur für sich selbst.

Florian: Es war eine Art Brief an mich selbst mit dem Inhalt: "Wir werden gehen. Ganz bestimmt - und das viel früher als wir beide momentan denken". Ich hätte ihr das eigentlich gar nicht sagen wollen, sondern wollte auf den passenden Moment warten. Es war dann wirklich komischerweise auf den Tag genau, dass wir beide den Entschluss gefasst haben und meinten: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

LA SIESTA: Und bei dir, Sjoukje? Seit wann bist du von diesem Fernweh getrieben?

Sjoukje: Das Fernweh hatte ich schon immer. Ich weiß noch genau, dass der Bus zu meiner Tante nach Spanien 260 Mark gekostet hatte. Sobald ich 260 Mark zusammen hatte, habe ich den Bus zu meiner Tante gebucht. Ich habe in meiner Studentenbude lange auf einer Luftmatratze geschlafen in dem Gedanken, dass ich mir mal ein Bett kaufen würde, wenn ich wieder Geld habe. Aber im Endeffekt habe ich mir jedes Mal, wenn ich wieder Geld hatte, ein Busticket gekauft. Als ich den Flo kenngelernt hatte, hatte er zu mir gesagt, dass er niemals auch nur einen Pfennig für einen Urlaub ausgeben würde. Er hat mir den Vogel gezeigt, denn ich musste jedes Mal, wenn ich tausend Euro auf dem Konto hatte, direkt ein Flugticket buchen. Meine Schwester meinte auch einmal zu mir, dass ich doch immer zweitausend Euro oder so auf dem Konto haben müsste, wenn einmal die Waschmaschine oder das Auto kaputt gingen. Aber über sowas mache ich mir erst Gedanken, wenn es soweit ist. Also ich habe schon immer jeden Penny für Urlaub ausgegeben.

Florian: Das Gute daran ist ja, dass wir dann beide voneinander gelernt haben. Sie wurde durch mich etwas vernünftiger und ich durch sie lockerer. Ich habe entdeckt, dass Reisen auch voll mein Ding ist. Von daher ergänzen wir uns da perfekt.

Sjoukje: Aber es ist schon Wahnsinn, wie Flo sich da verändert hat. Das Sabbatical hätte er früher niemals gemacht, wenn er dafür seinen Job oder seine Wohnung hätte aufgeben müssen. *Florian nickt zustimmend* Mir war das immer egal, ich brauche keine Sicherheiten. Auf unseren Reisen konnte er dann sehen, wie einfach es sein kann. Uns wurden überall Jobs angeboten, ohne, dass wir danach gefragt hätten. Er war damals in seinem Job sehr unglücklich und ich habe zu ihm gesagt, dass es immer einen Plan B gibt. Du musst das nicht machen, es geht auch anders.

Florian: Im Endeffekt führt uns unser kompletter Werdegang zu diesem Schritt jetzt, das ist schon seltsam. Ich wollte von mir aus nie Kinder haben, weil ich Freiheit haben wollte. Irgendwann meinte Sjoukje dann zu mir, dass ich aus meiner Freiheit eigentlich gar nichts mache. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Als der finanzielle Background soweit geklärt war, konnte ich das Sabbatical dann auch wirklich genießen. Von da an war es klar, dass es irgendwann soweit kommen würde, dass wir hier alles verkaufen werden.

Sjoukje: Ich habe auch direkt, als wir zurückgekommen waren, gesagt: "Wenn ich noch einmal geh', dann zeitlich unbegrenzt. Dann habe ich hier nichts mehr".

Florian: Jedes Mal, wenn wir von einer Reise zurückkamen, hat es sich auch so angefühlt, als wollte uns jemand direkt sagen: "Es wird Zeit für euch, ganz zu gehen". Entweder ist etwas kaputt gegangen oder wir hatten direkt sehr unsympathische Begegnungen.

 

LA SIESTA: Oft hört man im Zusammenhang mit dem Aussteigen ja auch das Wort „Flucht". Könnt ihr euch damit identifizieren?

Sjoukje: Das ist ein interessanter Punkt. Ich höre das auch oft und kann sagen, dass es für uns definitiv keine Flucht ist. Manchen Menschen wird hier alles zu viel, vielleicht hatten sie auch noch ein Burnout oder ähnliches und sie versprechen sich dann, dass sich ihr Leben verbessert, wenn sie flüchten. Ich habe einen Spruch gelesen, den ich für wahr halte. Du kannst zwar von einem Ort flüchten, aber nicht vor dir selbst. Dich nimmst du überall mit hin. Ich denke, dass so eine Reise nicht funktionieren kann.

 

LA SIESTA: Dann schauen wir doch mal auf eure Reise. Die ersten Stationen sind ja schon durchgeplant. Berichtet doch mal, wo es hingeht.

Sjoukje: Wir fliegen von Berlin nach Barcelona, dort werden wir uns fünf Tage lang aufhalten, bis unser Schiff dann Mitte November nach Brasilien startet. Wir haben uns ungefähr einen Monat gegeben, bis wir dann das CENTRO LA SIESTA in Fortaleza besuchen wollen. Der CENTRO-Leiter Dito wird uns für dort eine Bleibe organisieren, deswegen sind wir da ziemlich durchgeplant. Dort werden wir uns ungefähr einen Monat lang aufhalten, da wir nur 90 Tage in Brasilien bleiben dürfen. Danach werden wir mit einem Frachtschiff nach Kolumbien fahren. Da dürfen wir 180 Tage bleiben und danach wird es dann auch schon wieder nach Deutschland gehen.

Florian: Dass wir einmal im Jahr nach Deutschland kommen, mussten wir versprechen. Das hat auch mit der Krankenversicherung gut gepasst, bei der wir maximal sechs Wochen im Jahr in Deutschland sein dürfen. Das freut dann natürlich auch die Verwandten und Freunde.

LA SIESTA: Und ist es schon klar, wo es danach hingehen soll? In irgendeinen Flieger müsst ihr dann ja steigen.

Sjoukje: Das ist noch nicht sicher, da haben wir ja noch ein Jahr Zeit.

Florian: Genau. Wir haben als Basis ja immer unsere sechs Wochen in Deutschland, die wir dann nutzen werden, um uns immer wieder neu auszurichten. Vielleicht haben wir dann ja auch schon erstmal genug von Südamerika. Die Idee ist dann vielleicht, dass wir nächstes Jahr ein bisschen Mittelamerika erkunden, so Panama oder Costa Rica, oder dann vielleicht auch mal wieder Südostasien besuchen.

Sjoukje: Ich habe auch noch eine Traumroute, die ich unbedingt mal machen wollte. Von Panama bis nach Mexiko. Afrika fehlt uns bis auf einen leider zu touristischen Urlaub in Südafrika auch noch.

Florian: Eine wirkliche Bucketlist führen wir jetzt nicht, wissen aber ziemlich genau, was wir nicht wollen. Wir wollen nicht in die USA und nicht nach Australien. Nicht, dass wir was gegen diese Länder hätten, es ist uns aber mittlerweile zu normal und zu ähnlich zu unserem jetzigen Leben.

Sjoukje: Wir möchten einfach etwas völlig anderes erleben. Für mich gilt immer: Wenn ich in einem Restaurant essen gehe, möchte ich nichts auf der Speisekarte kennen.

Florian: Interessant wäre dann vielleicht auch etwas in die Richtung Iran oder Irak. Wenn wir alles andere abgegrast haben, wäre das dann wieder etwas völlig Neues und die Menschen sollen da wirklich auch supernett sein.

Sjoukje: Generell bevorzuge ich ungeplante Reisen auch eher, weil man sich dann wirklich auch vollkommen treiben lassen kann.

 

LA SIESTA: Informiert ihr euch vorher ausführlich über Land und Kultur, bevor ihr einen Ort bereist oder lasst ihr euch da überraschen?

Sjoukje: Als wir nach Südamerika gereist sind, wussten wir wirklich gar nichts. Manchmal haben wir sogar, während wir uns in einem Land befunden haben, bei Wikipedia nachgeschaut. Was wir natürlich im Vorhinein immer wissen müssen, sind die Einreisebestimmungen.

 

LA SIESTA: Trefft ihr ansonsten – abseits der bürokratischen Themen – spezielle Vorbereitungen?

Sjoukje: Tatsächlich besteht der Großteil der Vorbereitungen gerade aus diesen bürokratischen Sachen.

Florian: Und natürlich schauen, dass wir Dinge für die Reise kaufen, die leicht sind, die platzsparend sind und die man immer wieder verwenden kann, wie zum Beispiel einen Wasserfilter. Vor allem Sjoukje hält auch immer Ausschau nach irgendwelchen noch kleineren und noch sinnvolleren Gadgets.

Sjoukje: Da hat sich in den letzten vier Jahren auch unglaublich viel getan. Vor vier Jahren hatten wir uns ja für unsere Weltreise komplett eingedeckt und davon nehmen wir wirklich gar nichts mehr mit, weil wir alles austauschen konnten gegen kleinere und leichtere Dinge.

 

LA SIESTA: So wie die neue Colibri 3.0?

Sjoukje: Genau!

 

LA SIESTA: Habt ihr konkrete Erwartungen oder Wünsche, was eure Zukunft betrifft?

Sjoukje: Gesund bleiben, damit wir so lange wie möglich reisen können. Das ist wirklich meine größte Angst, dass einer von uns so krank wird, dass es nicht mehr weitergehen kann.

Florian: Einfach diese komplette Lockerheit bekommen. Den gewohnten Rhythmus abzuschalten und einfach mal in den Tag zu leben, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Richtig fallen lassen können. In unserem Jahr Auszeit hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich wieder in mein altes Leben zurückmuss. Und jetzt habe ich die Chance zu sagen: Ich bin wirklich frei.

 

LA SIESTA: Ich stelle es mir sehr schwierig vor, seinem Umfeld und der Familie mitzuteilen, dass man geht.

Sjoukje: Eine Freundin von mir hat die passendste Antwort gegeben, als ich es ihr mitgeteilt hatte. Sie meinte: "Na, endlich!" Die Grundstimmung von unseren Freunden war komplett, dass es für sie keine Überraschung ist und sie sich freuen, dass wir diesen Schritt jetzt wagen. Schwer gefallen ist es wirklich nur bei unseren Eltern.

Florian: Wir haben sie auch langsam darauf vorbereitet. Wir sagen schon lange, dass wir uns hier nicht mehr wohlfühlen. Für mich war das Ausschlaggebende als meine Mutter irgendwann zu mir meinte: "Ihr gehört hier nicht mehr her". Für jeden anderen wäre das eine enttäuschende Aussage, für mich war sie befreiend, weil sie es erkannt hat und es auch endlich einmal ausgesprochen wurde.

 

LA SIESTA: Denkt ihr, dass viele sich das auch wünschen würden, aber den Schritt nicht wagen?

Sjoukje: Oft beginnen Menschen erst darüber nachzudenken, was man alles machen und verwirklichen kann, wenn es nicht mehr möglich ist. Ich würde mir wünschen, dass sie viel mutiger wären und sich darauf konzentrieren, was sie persönlich glücklich macht - und eben nicht, was die Nachbarn davon halten.

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